Montag, 19 Januar 2004 | 45.04.019

Notizen aus dem Knast (3)

Ich weiß jetzt ..., und das dann doch wieder ziemlich genau,
wie es zu diesen ganz normalen Selbstmordanschlägen kommt, also die ohne den speziellen terroristischen Zusammenhang und Hintergrund:

auf dem Weg zum Widerstand gegen verfassungs- und auch sonst rechts-widrige, undemokratische, menschenrechtsfeindliche, unchristliche, unjüdische, unislamische etc. politische Führung bzw. die von ihr beherrschte und mißbrauchte Staatsgewalt

erreicht man irgendwo einen Punkt, an dem pratisch einfach nichts mehr geht;

also ich zum Beispiel, versuche seit rund zwölf Jahren, nach umfangreichen Studien, mit der politischen Führung auf der ganzen Breite ins Gespräch zu kommen, indem ich, u.a., sage: 'ich weiß was, ich kann Euch helfen ...'

nachdem die doch selbst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit sagen: 'wer was weiß ..., soll sich melden ...';

ich habe auch sonst alles gemacht, was nur geht: geredet, geschrieben, publiziert, demonstriert ...,
sämtliche verfügbaren Rechtswege beschritten, immer bis zum oder direkt beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dem Europäischen Gerichtshof in Luxembourg und dem für Menschenrechte in Strasbourg,
ich arbeite in Deutschland, und speziell sogar auch in Bayern, wo eh immer alles ein bißchen anders ist,
ich areite beim Europäischen Parlament in Strasbourg und Brüssel und bei der Kommission und bei der NATO
und ich arbeite bei der UNO in New York und Genf und Wien ...;

und überall sage ich ganz nett und lieb: 'Leute ich weiß was, und ich kann Euch helfen, egal ob' um Europa oder Afrika, den Nahen oder den Fernen Osten oder sonstwas geht,

und überall sagen mir praktisch alle ins Gesicht :

'ja, Sie haben ja recht, aber wir machen das trotzdem so weiter wie bisher,

und wir wollen auch gar nicht mit Ihnen reden ...
wir wollen das nicht mehr hören, was Sie sagen ...
wir wollen das nicht mehr lesen, was Sie schreiben ...

und wenn es dann im weiteren Verlauf so weit kommt,
daß einem, völlig widersinnig, die Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten beschränkt und abgeschnitten werden,

daß man also nicht nur Widerstand leisten, sondern sich richtig wehren muß, daß man immer mehr in die Enge getrieben wird und schließlich an der Wand steht,

zunächst noch mit dem Rücken (!) - es gibt selbst da immer noch feine Unterschiede, denn wenn man erstmal mit dem Gesicht zur Wand, Hände nach oben ... steht, ist alles aus -
dann erreicht man eben diesen Punkt, an dem man sich fragt, tja, was bleibt mir eigentlich jetzt noch zu tun, wo ist jetzt mein Handlungsdefizit (?)

- nachdem doch alle unsere hochbezahlten Beratungsspezialisten immer wieder sagen, man soll in solchen Situationen nicht nach dem Erkenntnisdefizit, sondern eben nach dem Handlungsdefizit suchen ... -

also ich zum Beispiel, um's nochmal so zu sagen, ich komme da an nichts Böses denkend die Treppe hoch, erreiche den Treppenabsatz und sehe mich urplötzlich von jeder Menge Polizei umstellt,

acht Mann waren es, die sich auf mich stürzten und sofort an Armen und Beinen festhielten und einklemmten ... - keine Chance, da noch irgendwie zu reagieren, eine Waffe zu ziehen ...,

selbst wenn ich eine Bombe dabei gehabt hätte: keine Chance, sie noch zu zünden - wie gesagt, immer unter dem Vorbehalt, daß man da an sich ganz unbefangen und friedlich seiner Wege geht;

insofern also, man muß auch mal etwas neidlos anerkennen können: Kompliment meine Herren, Respekt, Chapeau ...;

was lernen wir daraus ?

wenn man nun also doch wirklich und irgendwie wenigstens ein Zeichen des Protestes setzen will, dann bleibt letztlich tatsächlich und praktisch nur der Selbstmordanschlag,

das heißt, man muß dann praktisch schon mit dem Vorsatz da hingehen, also irgendwo, je nachdem .., heute, jetzt und hier soll das passieren, adé Du schnöde Welt, Hand am Drücker ... - und sobald die Situation gekommen ist, drücken !

so ungefähr, wie gesagt, ungefähr ..., ist das, in der Regel, und mit den meisten Selbstmordanschlägen und vergleichbaren Aktionen, z.B. der Palästinenser gegen die Israeli ...; es ist reine Hilflosigkeit, Ohnmacht, Vezweiflung ...;

der davon zu unterscheidende freie Terror, der sich ebenfalls des Mittels des Selbstmordwilligen bedient und dieses also ausnutzt und mißbraucht, ist etwas ganz anderes; das ist eine Kategorie, eine Qualität für sich.

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