Montag, 13 Oktober 2003 | 45.42.286

Politische Rhetorik - oder 'Die Angst des Tormanns vorm Elfmeter' ?!

Warum werden eigentlich dauernd neue Regierungserklärungen erfunden,

die die Vortragenden meistens selbst schon nicht verstehen,

weil sie in ihrer Substanz, also das was übrigbleibt, wenn man all das Geifernde und Polemische, das unmittelbar an die (jeweilige) Opposition gerichtet ist, wegläßt, von so genannten Redenschreibern verfaßt sind,

und deren einzelne Teile oft nur deshalb vorgetragen werden, weil's halt toll klingt, aber inhaltlich und sinngemäß im Grunde genommen bereits dem widerspricht, was sich der Redenschreiber, genauer gesagt 'die' Redenschreiber, denn das sind ja immer gleich mehrere, dabei gedacht haben,

die dann die Abgeordneten der eigenen Fraktion nicht verstehen,

die dann aber in den Fraktionssitzungen oder, im verschärften Arrest, 'beim Rotwein' eingetrichtert soweit nicht 'mit' Rotwein eingeflößt kriegen, wann sie wie und wofür zu stimmen haben, auch wenn sie nicht alles verstehen, oder gar, wenn sie glauben, zu verstehen, ganz anderer Meinung sind,

die dann die Parteimitglieder nicht verstehen,

die dann aber in Regionalkonferenzen, anscheinend die neue Geheimwaffe, das zwar auch nicht erklärt, aber ganz eindringlich gesagt kriegen, das sei nun wirklich das Beste und Neueste und Tollste, was es gibt,

und deshalb müsse man einfach möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, die das natürlich schon gar nicht verstehen, dazu überreden, diese Partei (...) zu wählen,

und dann gibt es natürlich die Medien und jede Menge sonstiger Experten, Fachleute, Forscher, Doktoren und Professoren, Sachverständige und gar Spezialisten ...,

die das zwar auch alle nicht verstehen, denen es aber darauf auch gar nicht ankommt bzw. die das auch gar nicht verstehen wollen bzw., soweit sie glauben, etwas zu verstehen, sich einfach dumm stellen,

weil, im Gegenteil, je verrückter die Politik ist, desto besser und unverbindlicher können sie ihrerseits wieder darüber reden und schreiben, und in Interviews und Talkshows etc.

darüber Interpretationen, Kommentare, Prognosen und Spekulationen etc. anstellen und verbreiten,

so daß, immerhin, der Sinn, wenn nicht gar so eine Art vermeintlicher Rechtfertigung von all dem einfach in der Arbeitsbeschaffung liegen könnte, einerseits, und in einer Art Therapie andererseits :

jede Menge Leute haben Arbeit und/oder profitieren sonst von einer einzigen Regierungserklärung

und können die Angst zumindest eine zeitlang verdrängen, sie hätten nichts mehr zu tun, wenn man das, was in den Regierungs-Erklärungen jeweils angekündigt wird, tatsächlich auch nur andeutungsweise oder gar annähernd mal in die Tat umsetzen würde,

denn politisch hat sich im Grunde genommen noch nie etwas wirklich bewegt :

die Regierungs-Erklärungen der letzten 20 oder auch 30 Jahre sind praktisch in ihren wesentlichen Teilen austauschbar

bzw. gleichen sich, synoptisch neben einander gelegt, praktisch bis auf den letzten Satz;

die Angst des Tormanns vor'm Elfmeter... ! - oder könnte es sein,

daß die sich doch ganz klar und eindeutig aus der Verfassung ergebenden Aufgaben nur deshalb von der politischen Führung nicht erledigt werden,

weil sie Angst davor haben, sie hätten am Ende gar nichts mehr zu tun

und daß sie nur deshalb diese Aufgaben, die dann, einer natürlichen Entwicklung folgend, aus der Natur der Sache wie auch der Person heraus, zu Schwierigkeiten und Problemen werden,

ständig und immer wieder neu und anders variieren, erweitern, verlängern, künstlich am Leben erhalten ...,

nur damit sie ständig etwas haben, worüber sie das tun können, was sie am besten können : reden, reden, reden (?)

insofern ähnelt die politische Rhetorik (u.a.) auch der Börsenberichterstattung :

selbst an kleinste Bewegunen, auf oder ab ..., lassen sich jederzeit, morgens, mittags, abends, nachts, von einer Nahrichtensendung zur anderen, sofort, nach Belieben, soweit nicht einfach nach Bedarf ..., die tollsten Analysen, Interpretationen, Spekulationen ... (s.o.) knüpfen;

dabei wäre doch alles so einfach !

nehmen wir nur mal an, unser so geschätzter Herzog Roman von Berlichingen, also der mit dem Ruck, der eigentlich immer ein bißchen so tut, als sei er der Götz,

also der, zum Beispiel - auf mich hört ja keiner - würde der CDU sagen, sie soll sich doch endlich mal einen Ruck geben und der SPD das Ruder aus der Hand nehmen ...

und dann sagen :

Liebes Volk, wir nehmen das jetzt nicht nur ernst mit der Politik,

sondern auch die Regierungs-Erklärung von Helmut Kohl vom Oktober 1982 zur Hand und setzen das jetzt um, also das was noch aktuell ist, Punkt für Punkt,

und danach die weiteren Regierungs-Erklärungen von Helmut Kohl - notfals kann man ihn ja noch fragen, bei seinem Elefantengedächtnis, was er sich denn damals dabei gedacht hat, und vielleicht stehen ja sogar die Redenschreiber von damals noch zur Verfügung -

bis wir dann eines Tages in der Wirklichkeit angelangt sind und dieser Zustand 'es gibt kein richtiges Leben im falschen ...' ein Ende hat

und wir einen neuen, einen richtigen Anfang und Pläne für die Zukunft machen

und dem Volk versprechen können, daß wir nie wieder hinter bereits erreichte Standards zurückfallen werden

und vor allem auch nie wieder Wahlkampf mit Versprechungen, geschweige denn mit Drohungen machen werden wie :

in 10 Jahren werde alles noch schlimmer sein als heute, und in 20 Jahren dann noch schlimmer, und ganz schlimm - und das ist dann anscheinend für die Heutigen immer als Trost gedacht, oder was ? - wird es sowieso erst in 30 Jahren.
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